2017
Jedes Jahr im Juni präsentieren die Absolvent*innen des MA Performance Studies ihre Abschlussarbeiten auf Kampnagel. Schöne Aussichten, diesjähriges Thema der zweimal zwei Abende mit jeweils fünf 20minütigen Performances, thematisiert aktuelle Dystopien, konfrontiert sie mit frontalen Angriffen und Realitätsfluchten, antwortet mit multiplen Körpern und Identitäten, warnt vor scheinbaren Sicherheiten und empfiehlt: Obst.
ANNA SARAH HUBNER | Corpora Amorpha
„Wir wissen wenig voneinander. Wir sind Dickhäuter, wir strecken die Hände nacheinander aus, aber es ist vergebliche Mühe, wir reiben nur das grobe Leder aneinander ab, - wir sind sehr einsam.“
(Georg Büchner, Dantons Tod)
Der amorphe Körper lässt sich nicht kontrollieren. Er zerfließt, will berühren und sucht nach dem Singulären im Kollektiven. An der Schnittstelle von Tanz, Poesie und Wissenschaft stellt das Stück die Frage, wie sich Erinnerungen körperlich einschreiben und wo sich Spuren des Erinnerten wiederfinden. Bis allmählich die Grenzen zwischen sinnlich erlebbarer Körperlichkeit und gesellschaftlichen Bedingungen verschwommen sein werden. Oder die Worthüllen auf unseren Oberarmen flirren.
Von und mit: Anna Sarah Hubner, Janis Jirotka, Paula Jütting, Shahab Anousha, Verena Steiner, Yolanda Morales
Persönlicher Dank an: Patricia C. Mai, Antje Pfundtner, Jochen Roller, die PerformerInnen, Georg Oberweger, Gisela Hubner, Lorenz Fiedler, das Frappant & Hanseatische Materialverwaltung.
DA SOUL CHUNG| <Bodyright©>
Wem gehören Bewegungen? Gehören sie zur Person, welche die Bewegung generiert hat - zur Autor*in der Bewegung oder zum Körper, der sie speichert?
<Bodyright©> thematisiert Autorenschaft im zeitgenössischen Tanz und die Unmöglichkeit, Tanz zu kopieren.
Da Soul Chung untersucht das Verschwimmen der Grenzen zwischen Zitat und Plagiat im Zeitgenössischem Tanz. Sie konzentriert sich auf die vielfältigen Möglichkeiten der Interpretation bereits bestehender Choreografien. Das Stück will nicht nur existierende Bewegungen wieder-holen oder wieder-verwerten, sondern diese wieder-entdecken und neu gestalten, ihnen durch ein ‚Up-Cycling’ neuen Interpretationsspielraum geben.
Von und mit: Da Soul Chung (Idee), Anna Semenova-Ganz (Dramaturgie)
Persönlicher Dank an: Malte Pfeiffer, Antje Pfundtner, Jochen Roller, Da I Chung, Hamburg5, Lizzy Gaffrey, Anna Semenova-Ganz.
CLAUDIA LOMOSCHITZ| INDUZIERTE LAKTATION
Wie äußern sich die Säfte im 21. Jahrhundert: Viskos, dickflüssig, zähflüssig, glitschig, klebrig. Die Performance befragt das Verhältnis von erlebter Körpererfahrung und virtuell-fiktionaler Realität. Die Ökonomien von Körperflüssigkeiten werden von den Performer*innen skulptural exploriert. In einem kontrastreich angeordneten Beziehungsgeflecht verräumlichen sich Fruchtbarkeitsexotismen und Sauberkeitsphantasmen. Reproduktive und repräsentative Logiken verselbstständigen sich und werden zu Flüssigkeiten die lautstark Theoreme von sich geben. Imagination legt sich auf die Netzhaut und das Körperempfinden der Betrachter*innen. Es sprüht.
Von und mit: Performer*innen: Yolanda Morales Torres, Thordis Meyer, Paul- Louis Lelièvre, Emmerich Lomoschitz, Claudia Lomoschitz, Nikita Kotliar, Lea Dietschmann, Shahab Anousha.
Persönlicher Dank an: Anna Semenova-Ganz, Julia Riederer, Marcel Kann, Lina Höhne, Lucas Häfliger, Alina Buchberger, Kevin Becerril.
EVA-MARIA GLITSCH, RAHA EMAMI KHANSARI, CHRISTINE KRISTMANN | The Grim Times We Live In
Einmal tief Luft holen bevor es losgeht. Mit dem Kopf voran und oben drauf tauchen wir ein. Wir haben keine Angst, wir haben Beat. Wir stehen. Wir stellen uns. Wir verstellen uns. Wir stellen uns vor.
Wir sind der Fisch im Magen einer Seerobbe. Das Ungewisse entpuppt sich, verheißungsvoll warten wir auf den nächsten Aggregatzustand. Molekül für Molekül für Molekül. Lasst los. Lass die Haare lose fallen und deinen Körper. Lass Berge bauen. Lass losgehen, die Dunkelheit bricht ein. Wo geht es raus?
Verwandlung now. Endstation: Schneewigkeit.
Von und mit: Eva-Maria Glitsch, Raha Emami Khansari, Christine Kristmann, Sebastian Russ (Musik)
Persönlicher Dank an: Matthias Anton, Petra, Franzi, Michael, Axel und Sebastian.
CONNY MEWS | 528Hz - Eine Transformance
Was haben Musik, Schamanismus, Quantenphysik, Astrologie und Astronomie gemeinsam? Die Lehre von den Schwingungen und Frequenzen sowie die Annahme, dass Alles im Universum miteinander verbunden zu sein scheint. In einem leisen Selbstversuch erproben die Performerinnen, den eigenen Seinszustand zu verändern und schwierige menschliche Verbindungen aufzulösen. Dabei laden sie das Publikum ein, ihnen zu folgen und dasselbe zu tun. Mit eigenen Songs und Texten, sowie sakralen Frequenztönen kreieren sie einen transzendentalen Raum inmitten des Moments, welcher die dauerhafte Veränderung ermöglichen soll. Die aktuelle Mondkonstellation und kalifornischer Salbei helfen ihnen dabei.
Von und mit: Conny Mews (Regie / Songwriting / Musik / Dramaturgie / Performance) & Yvonne Peters (Musik / Dramaturgie / Performance)
Persönlicher Dank an: Hermine Mews, Kathleen Harrison, Lorenzo Hagerty, Yvonne Peters, Insa Griesing, Ida Marie & Clara Theresa Wirths, Simon Dietz und Tristan.
MARKUS POSSE | what remains...
Liebes Publikum,
Ich bin sicher, Sie alle sind erschüttert ob der Ereignisse, die täglich in Syrien stattfinden, während wir der Tagesordnung nachgehen. In einem Atemzug genannt mit Fassbomben und Terror hinterlässt das Land auch hier Spuren eines Krieges, der an medialer Inszenierung und Grausamkeit seinesgleichen sucht. Diese Arbeit versucht, einige der Spuren ins Theater zu holen. Das gleicht einer Sisyphosarbeit. Von Anfang an war klar, dass keine Szene den Geschehnissen gerecht werden kann. Das hier ist kein Ablassbrief, der einen fahrlässigen Umgang mit dem Schicksal Hunderttausender rechtfertigen will. Es ist der Widerhall eines Versuchs, der die Erschütterung vom Kopf in den Körper holt.
Von und mit: Clara Marie Herrmann (Performance), Markus Posse (Idee & Performance), Andreas Döpke (Dramaturgie), Mamoun Fansa (Interviewpartner und Texte)
Persönlicher Dank an: Mamoun Fansa, Rafik Schami, Hosam Katan, Jalal Maghout, Suleman Taufiq, Moritz Piehler, Christoph Bangert, Emilie Girardin, QISETNA: Talking Syria, Antje Pfundtner, Jochen Roller, Patricia Carolin Mai, Malte Pfeiffer.
LEA DIETSCHMANN | „Wo die Wildererinnen wohnen“ *special edition*
Die 5 Wildererinnen mit unterschiedlichen Namen lesen vor, lesen sich rein, schauen vom Lesen hinauf aus den Büchern auf den Raum und uns, die im Begriffe sind, sich zu verändern. Die Pressekonferenz zu einer Lektüre-Performance über Literatur. Im Klang des vor/weg-getragenen Vor-Lesens sprechen fünf Wildererinnen in der *special edition* eine Sprache , eine lugha, eine lingua, 언어 und oder obwohl immer eine sproch/spraak.
Von und mit: Eleonora Cucina, Carolin Jüngst, Renalda Mtaki, Su Jin Kim (Wildererinnen) und Lea Dietschmann (Wildererin / Konzept)
Persönlicher Dank an: Carolin Jüngst.
LUISE LESCHIK | Fluchtwärts
Was wird ausgebuddelt, wenn die Großeltern aus dem Nähkästchen plaudern?
Kartoffeln, Kartoffeln, Kartoffeln.
Jede Kartoffel hat ihre eigene Geschichte. Nicht jede Geschichte ist politisch korrekt oder kann politisch korrekt erzählt werden. Kann sie aber dennoch erzählt werden?
Wir sitzen auf dem Feld. In der Erde. Aufgepflügt. Alles liegt brach. Wir stochern im Sand herum. Bohren Löcher. Jeder in seiner eigenen Bahn. Zwischen den zerstörten Pflänzchen wird man fündig. Hungerstillende Knollen. Immer wenn wir mit einem Abschnitt fertig sind, ziehen wir ein Stück weiter. Ein Stück des Weges. Nun lass uns reden - lass uns Geschichten erzählen!
Von und mit: Luise Leschik, Nathalie Dickscheid, Clara Marie Herrmann
Persönlicher Dank an: Clara Marie Herrmann, Nathalie Dickscheid, Opa Achim Leschik, Oma Edith Leschik, Opa Hermann Driesner, Oma Lotte Driesner, Mario Gunther Leschik, Dagmar Driesner-Leschik, Jochen Roller, Antje Pfundtner, Insa Griesing, Malte Pfeiffer, Paul Seidel, Thordis Meyer.
CAROLIN JÜNGST | MurMur
“then a murmur, a name, a murmured name, in doubt, in fear, in love, in fear, in doubt, wind of winter in the black boughs, cold calm sea whitening whispering to the shore, stealing, swelling, passing, from naught come, to naught gone”
(Samuel Beckett)
Die Körper und Stimmen begeben sich in MurMur in eine kontinuierliche Transformation: sie bauen in zyklischer Abfolge unterschiedliche Bilder und Formen auf, werden in ihrer Zeichenhaftigkeit befragt und hinterlassen Ton- und Bewegungsspuren. Inspiriert von der mythologischen Figur der Sirenen werden die Performerinnen in einem Wechsel von Stillstand, Stottern, Echo und Verlebendigung zu hybriden Identitäten.
Von und mit: Lisa Rykena (Performerin & Komposition), Carolin Jüngst (Performerin & Komposition), Konstantin Bessonov (Dramaturgie & Ton), Lea Dietschmann (Dramaturgie)
Persönlicher Dank an: Lisa Rykena, Lea Dietschmann, Konstantin Bessonov, Maria-Isabel Hagen, Jochen Roller, Antje Pfundtner, Malte Pfeiffer, Patricia Carolin Mai.
ANTON RUDAKOV | Totalitäre Körper
Unsere Zeit ist geprägt von extremen politischen, kulturellen und sozialen Veränderungen. Wie reagieren unsere Körper darauf? Verändert sich die physische Wahrnehmung? Diesen Fragen stellt sich Anton Rudoakov am Beispiel der sowjetischen und postsowjetischen Epoche. Einem Unterdrückungsmechanismus, der sich sowohl in kollektiven-, als auch in individuellen Formen finden lässt.
Mithilfe verschiedener Medien und anhand verschiedener künstlerischer Ansätze wird das Phänomen des totalitäen Körpers untersucht. Dieser mysteriöse Organismus eignet sich in Phasen des Umbruchs Überlebensstrategien an. Kann man diese choreographisch abbilden?
Von und mit: Anton Rudakov, Paul-Luis Lelièvre, Anna Schönbeck, Jan Götter, Insa Griesing, Cina Mael, Laura Gabriel, Leandro Mustelier Delgado, Clara Marie Hermann, Yolanda Morales Hernandez, Tordis Meyer | Künstlerische Assistenz: Insa Griesing, Anna Semenova-Ganz.
Persönlicher Dank an: Javier Báez und Sina Rundel (Leitungsteam der Contemporary Dance School Hamburg).