Performance and Labour
Projektleitung: Prof. Dr. Gabriele Klein, Prof. Dr. Bojana Kunst
Projektbeginn: 8/2011
Konzept
Performative Praxis ist seit jeher eng verwoben mit dem Experimentieren und der Erforschung neuer Arbeitsformen in künstlerischen Arbeitsprozessen. Während des zwanzigsten Jahrhunderts wurden parallel zu sozialen, politischen und wirtschaftlichen Transformationen neue kollaborative Prozesse und Organisationsformen künstlerischer Arbeit entwickelt und kritisch hinterfragt. Besonders in den letzten zwei Jahrzehnten waren Formen der Arbeit in den performativen Künsten von besonderer Bedeutung und definierten in vielen Fällen die kulturellen und politischen Rahmungen der Aufführungspraxis neu. Der Prozess künstlerischen Arbeitens selbst rückte in den Vordergrund, neue Formen der Kollaboration und des Austausches wurden entwickelt und die Bedingungen von Performances als Produkt wurden neu verhandelt. Auf diese Weise öffneten sich Performances für ein breites Feld der Exploration kreativer Arbeitsprozesse, wobei der Fokus dieser Arbeiten im Austausch von kollaborativen und experimentierenden Praktiken, sowie in der Entwicklung von Diskursen und Forschungsfeldern lag. Diese Entwicklung beruhte auf der Annahme, dass durch kollaborative Arbeitsweisen die institutionellen und normativen Grenzen von Performances kritisch adressiert werden könnten. Zudem schien damit die Möglichkeit verbunden, durch neue Aufführungspraxen die herkömmlichen Produktions- und Verbreitungswege künstlerischer Produktionen herauszufordern.
Eines der wichtigen ästhetischen und politischen Ergebnisse dieser Erkundungen ist, dass die Arbeit selbst in den Performances sichtbar wurde. Forschungsformate und offene Formen, vermittlungsorientierte Rahmungen, Works in Progress und Präsentationen des künstlerischen Prozesses wurden so zu einem wichtigen Moment der Produktion, als auch der sich an Performances anschließenden Diskurse. Diese vielseitigen praktischen Erkundungen hatten einen wichtigen Einfluss auf neue Formen des Austausches künstlerischer Methoden, die Hervorbringung von Wissen sowie eine Neu-Bewertung der Arbeiten selbst. Sie ermöglichten den Blick und ein Bewusstsein dafür, wie Künstler arbeiten und stellen die performative Praxis zu anderen Formen der Arbeit im gegenwärtigen Kapitalismus in Beziehung. Wie hierüber aus der Perspektive des Post-Fordismus (z.B. Virno) oder der zeitgenössischen Produktion von Subjektivität (z.B. Lazaratto) nachgedacht wird, zeigen sich auch viele Parallelen zwischen Formen der Produktion in Performances und den heutigen flexiblen, kollaborativen und prekären Formen der Arbeit. Die Arbeit des Performance-Künstlers ist aus dieser Sicht direkt mit der Produktion künstlerischer Subjektivität verbunden, was wiederum in Korrespondenz zu den wechselnden Modi der Arbeitsbedingungen in der heutigen Gesellschaft steht.
Das Projekt widmet sich diesen Gemeinsamkeiten und bietet einen Einblick in das Verhältnis von Performances und neue Formen der Arbeit, sowie neue Formen der Verwendung menschlicher Arbeitskräfte im zeitgenössischen Kapitalismus. Es geht von der These einer Notwendigkeit aus, die Bedingungen der Arbeit neu zu diskutieren – dieses Mal jedoch in einer Herangehensweise, die das Wissen, das in performativer Praxis bereits entwickelt und mit weiteren Formen zeitgenössischer kultureller Produktion verbunden wurde, einbezieht. Unter dem Druck der Krise, einer allgemeinen Re-Strukturierung der kulturellen und sozialen Bereiche der Gesellschaft sowie dem wachsenden Bedarf einer Neubewertung künstlerischer Arbeit besteht besonders in den letzten Jahren der Bedarf, die Prozesse der Kunst-Produktion zu überdenken und mit Fragen der Arbeitsbedingungen zu verbinden. Jegliche Reflexionen über Arbeitsprozesse sind daher stark mit der Frage verbunden, wie die Rolle des Künstlers in der ökonomischen und politischen Krise neu bewertet wird – und dies besonders in Bezug auf die aktuelle kulturelle und politische Diskussion über die Anwendbarkeit von Wissen und imaginativen und kreativen Praktiken.
Wir möchten das Thema der Arbeitsweisen in Performances aus verschiedenen Perspektiven angehen:
1. Performance, Post-Fordismus und Arbeit
– Künstlerische Arbeitsweisen
– Performance und zeitgenössische politische Theorie, postfordistische Theorien der Produktion
– Preformative Praxis als eine Zeit- und Körper-basierte Praxis; flexible, – nomadische und prekäre Bedingungen künstlerischer Arbeit
– Immaterielle Arbeit und Performance
– Mögliche Nachbarschaften zwischen performativer Praxis und gegenwärtigen Formen der Arbeit: Virtuosität, Affektivität der Arbeit
– Untersuchung der Potentiale von Sprache, der Produktion von Wissen, des Experimentierens mit Subjektivität
– Historische Aspekte des Verhältnisses von Performance und Produktionsprozesse im Kapitalismus
– Die Rolle der Handwerkskunst, Qualifikation und Dis-Qualifikation in performativer Praxis
– Kollaborative Formen der Arbeit aus der Perspektive neuer Arbeitsbedingungen
– Künstlerische Arbeiten, die Arbeitsbedingungen und Arbeitsverhältnisse verhandeln
– Arbeit und künstlerische Institutionen
2. Forschung, die Vermittlung und prozessorientierte Arbeit
– Der Künstler als Forscher, performatives Forschen in Bezug auf neue Formen von Arbeit
– Die pädagogische Wende in den Performances: Wie können erfindungsreiche und experimentelle Praktiken ermöglicht werden
– Sichtbarkeit von Arbeit in Performances und Entwicklung von Formaten: Showings, Work in Progress, Workshops
– Widerstand gegen die Anwendung und Neubewertung künstlerischer Ausblidung: Strategien und Modelle von künstlerischer und performativer Ausbildung
– Die Rolle von Residenzen in zeitgenössischer Kunstproduktion und in Bezug zu nomadischen Bedingungen
– Im Prozess sein: künstlerische Prozesse im Lichte prekärer Arbeitsverhältnisse, Flexibilität von Subjektivität und „lebenslanges Lernen“
3. Die Ökonomisierung und Neubewertung künstlerischer Arbeit in aktuellen Produktionen
– Der Wert der Arbeit: Performance-Künstler und die Ökonomisierung ihrer Praxis
– Arbeitswerte: Performance-Künstler und kapitalistische Produktion
– Nomadische Bedingungen zeitgenössischer Performance-Produktion
– Neue zeitliche und räumliche Politiken der Produktion von Performances
– Formen der „Nicht-Arbeit“ in zeitgenössischen Performances
– Inaktivität, Faulheit, Müßiggang als Praktiken des Performativen
– Linien der Verschwendung, Ineffektivität, Stagnation als kulturelle und performative Praxis
– Beschleunigung und Überfluss kultureller Produktion
Das erste Ergebnis dieses Forschungsprojektes ist in einer Ausgabe des Magazins Performance Research 18.1 (Februar 2013) erschienen. Link zum Magazin....